Amatera-Roman-Projekt, Kapitel 11: Unbeschwerte Tage – Miku

Kapitel 11: Unbeschwerte Tage – Miku


Alle Infos> Japan, Präfektur Kagoshima, Juni #5-Das Amatera-Roman-Projekt

Kapitel 11: Unbeschwerte Tage – Miku

»Steve-san, du solltest heute mal mit Kenji reden«, sagte Miku, ihre Stimme klar und bestimmt, doch ein spielerisches Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie neben Steve den gewundenen Pfad zum Arbeitsgebäude entlangspazierte. Die Morgensonne tauchte das Anwesen in ein weiches, goldenes Licht, und der Duft von frisch geschnittenem Gras mischte sich mit dem salzigen Hauch des nahen Meeres.

»Ähm… weshalb, Miku?« Steve hob eine Augenbraue, sein typisches schiefes Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Er trug ein leichtes, kurzärmliges Leinenhemd, und seine Schritte hatten die entspannte Präzision eines Mannes, der sich in jeder Umgebung zu Hause fühlte.

»Du kennst ihn doch. Mit seinen Programmcodes ist er ein junges Genie und sitzt oft 16 bis 18 Stunden vor seinen Bildschirmen. Aber typisch Nerd, ist er sozial unbeholfen – besonders Frauen gegenüber –, und wenn er nicht mehr körperliche Bewegung zum Ausgleich bekommt, verfettet er noch. Mehr Schlaf wäre auch nicht schlecht, und bei allem lobenswerten Arbeitseifer… 16 bis 18 Stunden täglich, manchmal sogar am Wochenende… das ist einfach zu viel!« Mikus Worte waren eine Mischung aus Besorgnis und neckender Kritik, ihre Augen funkelten vor Intelligenz.

»Da hast du natürlich völlig recht, werte Miku. Aber warum redest du nicht mit ihm? Dich vergöttert er doch fast!« Steve schmunzelte, seine Stimme triefte vor gespielter Unschuld.

»Eben, haha!« Miku lachte, ein heller, melodischer Klang, der über den Pfad tanzte. »Wenn ich als attraktive Frau – in seinen Augen geradezu eine Göttin – versuche, mit ihm über etwas anderes als seine geliebten Codes zu reden, stottert er nur und fällt fast in Ohnmacht. Nein, nein, Steve-san, das musst schon du übernehmen und ihm richtig befehlen: mehr Bewegung, weniger Fast Food vor dem Bildschirm, weniger Zeit vor Flatscreens, etwas Sport, gesünderes Essen… du weißt schon.« Sie zwinkerte, ihre Haltung war elegant, doch ihre Geste hatte etwas Verspieltes.

»Immer bleibt alles an mir hängen!« Steve seufzte übertrieben, sein Gesicht verzog sich zu seinem berühmten „betrübten Dackelblick“, der Miku nur noch mehr lachen ließ. Natürlich würde er sich darum kümmern – nicht aus Begeisterung, sondern aus Pflichtbewusstsein. Steve war kein Mann, der unangenehme Aufgaben scheute. Wie ein Kapitän auf hoher See fühlte er sich für seine „Crew“ verantwortlich, und Kenji, mit all seiner schüchternen Genialität, war Teil dieser Crew.

Miku beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Steve war ein Mann, der sie immer wieder überraschte – nicht nur durch seine unerschütterliche Lockerheit, sondern durch seine tiefe Integrität. In einer Welt, die oft von Gier und Oberflächlichkeit geprägt war, war er eine seltene Mischung aus Herz, Verstand und Charme. »Nicht zum ersten Mal denke ich, dass er ein verdammt faszinierender Mann ist«, gestand sie sich ein, während sie weitergingen.

Der Pfad führte sie durch den Garten des Anwesens, wo blühende Kirschbäume und akkurat gestutzte Hecken eine Atmosphäre der Ruhe schufen. Das Arbeitsgebäude, ein modernes Bauwerk aus Glas und Holz, fügte sich nahtlos in die natürliche Umgebung ein. Seine Fenster spiegelten den Himmel wider, und die Innenräume waren mit minimalistischer Eleganz gestaltet – helle Holzböden, dezente Kalligrafien an den Wänden und High-Tech-Ausrüstung, die diskret in die Ästhetik integriert war. Hier, tief im Herzen des Taikun-Imperiums, wurde Amatera entwickelt, eine Vision, die Miku ebenso faszinierte wie herausforderte.

Mikus Rolle im Projekt war vielschichtig. Als Stellvertreterin von Steve und vertraute Assistentin von Yoshimori-sama agierte sie als seine Augen und Ohren, übersetzte seine oft kryptisch-visionären Anweisungen in klare Direktiven und sorgte dafür, dass die verschiedenen Teams harmonierten. Ihre Vergangenheit als Schauspielerin und Model hatte sie gelehrt, Menschen zu lesen und ihre Emotionen zu lenken – eine Fähigkeit, die sie unverzichtbar machte. Doch sie war mehr als eine Vermittlerin. Ihre technische Brillanz, die sie sich in den letzten Jahren hart erarbeitet hatte, erlaubte es ihr, tief in die Mechanismen von Amatera einzutauchen. Sie war fasziniert von der Idee, lebende Personen als nahezu lebensechte KI-Avatare zu digitalisieren, und arbeitete eng mit Steves Team zusammen, das diese Technologie vorantrieb.

Steve brachte eine andere Perspektive ein. Seine Erfahrung als Stratege – sei es auf dem Schlachtfeld, an der Börse oder auf hoher See – machte ihn zu einem Meister darin, komplexe Probleme zu lösen. Doch was Miku besonders an ihm schätzte, war seine Fähigkeit, Menschen zu motivieren, ohne sie zu bevormunden. Er behandelte sie als ebenbürtig, übertrug ihr Verantwortung, die weit über ihre bisherigen Aufgaben hinausging, und das in einer Kultur, in der Frauen oft gegen unsichtbare Mauern stießen. Japan war ein Land, in dem das Patriarchat tief verwurzelt war, und selbst eine Frau von Mikus Kaliber hatte immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. Steve hingegen sah ihre Fähigkeiten, nicht ihr Geschlecht, und das war eine Befreiung, die sie zutiefst schätzte.

»Sag mal, Steve-san, wie läuft’s mit deinem Team?« Miku wechselte das Thema, als sie das Gebäude betraten. Die Klimaanlage summte leise, und der Duft von frisch gebrühtem Tee lag in der Luft. »Die Scans machen Fortschritte, aber ich habe gehört, dass es Probleme mit der Emotionalabstimmung gibt.«

Steve nickte, seine Miene wurde ernster. »Ja, die Technik ist fast perfekt – wir können Hauttexturen, Bewegungen, sogar Mikroausdrücke nahezu 1:1 abbilden. Aber die emotionalen Nuancen… das ist der Knackpunkt. Eine KI, die wie ein Mensch aussieht, aber nicht wie ein Mensch fühlt, wirkt wie eine Puppe. Kenji arbeitet an einem neuen Algorithmus, der die emotionalen Reaktionen besser simuliert, aber… na ja, du kennst ihn. Er gräbt sich so tief in den Code, dass er alles andere vergisst.«

»Deshalb musst du ihn ja aus seiner Höhle zerren.« Miku zwinkerte, ihre Stimme neckend, doch ihre Augen waren warm. »Aber im Ernst, ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Wenn wir die Avatare perfektionieren, könnte Amatera nicht nur technisch, sondern auch menschlich revolutionieren.«

Steve grinste, seine Augen funkelten. »Das ist der Plan, Miku-san. Und mit dir an Bord wird’s auch klappen. Du bist wie der Klebstoff, der das alles zusammenhält.«

Miku lachte, schüttelte den Kopf. »Schmeichler. Aber ich nehme das Kompliment an.«

Der Arbeitstag war lang, wie so oft. Elf Stunden voller Meetings, Datenanalysen und technischer Feinjustierungen. Steve fand Zeit, mit Kenji zu sprechen, der, wie erwartet, errötend und stotternd versuchte, das Thema auf seine Codes zu lenken. Doch Steve, mit seiner direkten, aber freundlichen Art, machte ihm klar, dass Gesundheit und Ausgleich Vorrang hatten. »Kenji, ich brauch dich in Topform, nicht als Zombie. Dreißig Minuten Joggen am Tag, weniger Ramen, mehr Gemüse. Das ist ein Befehl, klar?« Kenji nickte hektisch, und Steve klopfte ihm auf die Schulter, zufrieden, dass er zumindest einen Samen gesät hatte.

Miku hingegen jonglierte ihre Aufgaben mit einer Leichtigkeit, die ihre Kollegen immer wieder staunen ließ. Sie moderierte ein Treffen mit den Ingenieuren, übersetzte die Wünsche von Yoshimori-sama in konkrete Anweisungen und fand sogar Zeit, Kaku bei einer ihrer ersten Einführungen in die technische Seite von Amatera zu unterstützen. Kaku, mit ihrer schnellen Auffassungsgabe, sog jedes Detail auf, doch Miku bemerkte die leichte Überwältigung in ihren Augen. »Keine Sorge, Kaku-chan«, sagte sie sanft, als sie eine Pause einlegten. »Du musst nicht alles auf einmal verstehen. Schritt für Schritt, und wir sind bei dir.«

Kaku lächelte dankbar, ihre Augen leuchteten. »Danke, Miku-san. Es ist… viel. Aber es ist auch so spannend. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal bei so etwas mitmache.«

»Du bist genau richtig hier«, antwortete Miku, ihre Stimme warm. »Und du wirst sehen, wie weit du kommen kannst.«

Am Abend versammelte sich die „kleine Familie“ im Gästehaus, wo das Personal ein köstliches Abendessen vorbereitet hatte – frisches Sushi, gegrillten Fisch, knackiges Gemüse und eine Auswahl an Desserts, darunter Kumis geliebter Matcha-Kuchen, ein fluffiges Gebäck aus grünem Tee, das mit seiner cremigen Textur und dem leicht herben Geschmack ihre Augen zum Leuchten brachte. Der Gemeinschaftsraum des Gästehauses war ein Ort der Wärme, mit niedrigen Holztischen, weichen Kissen und großen Fenstern, die den Blick auf den Garten freigaben. Der Duft von Jasmin wehte herein, und die Laternen draußen warfen ein sanftes Licht auf die Szenerie.

»Okay, wer ist bereit für eine Runde Uno?« Kumi klatschte in die Hände, ihre Augen blitzten vor Energie. Sie hatte ihre Yukata gegen ein lockeres T-Shirt und Shorts getauscht, ihre Haare in einem hohen Pferdeschwanz gebunden. »Aber diesmal keine Tricks, Steve-san! Letztes Mal hast du geschummelt!«

»Schummeln? Ich? Nie im Leben!« Steve hob die Hände in gespielter Unschuld, sein Grinsen breit. Er saß lässig auf einem Kissen, eine Tasse Sake in der Hand. »Du warst einfach abgelenkt von deinem Matcha-Kuchen, Kumi-chan. Das nennt man Strategie.«

Kaku kicherte, ihre Wangen rosa vor Lachen. »Er hat recht, Kumi-chan. Du hast die Hälfte der Karten verpasst, weil du so mit dem Kuchen beschäftigt warst!«

»Verräterin!« Kumi warf ein Kissen nach Kaku, die geschickt auswich. Miku, die mit einer Tasse Tee in der Hand saß, beobachtete das Geplänkel mit einem amüsierten Lächeln. Sie liebte diese Momente – die Leichtigkeit, die Harmonie, die sich in dieser ungewöhnlichen Gruppe entwickelt hatte. Kumi war der Wirbelwind, der alle mit ihrer Energie ansteckte; Kaku die Seele, die mit ihrer Tiefe und Neugier inspirierte; und Steve… Steve war der Fels, der sie alle zusammenhielt, ohne es je laut auszusprechen.

»Also, Miku-san, bist du dabei, oder liest du wieder eines deiner schlauen Bücher?« Steve zwinkerte ihr zu, seine Stimme neckend.

Miku hob eine Augenbraue, ihre Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. »Ich lasse euch Narren eine Runde zanken, bevor ich euch alle vernichte. Aber keine Sorge, ich behalte euch im Auge.«

»Oh, das klingt nach einer Herausforderung!« Kumi grinste, begann die Karten zu mischen und verteilte sie mit einer übertriebenen Geste. Das Spiel begann, und die Luft war bald erfüllt von Lachen, gespielten Empörungen und Kumis triumphierendem Jauchzen, als sie eine „Zieh vier“-Karte auf Steve legte. Mit viel Kartenglück gewann Kumi fast jede Runde, und alle lachten so viel, dass ihnen fast die Bäuche wehtaten.

Nach dem Spiel, als die Nacht tiefer wurde, zogen sie sich in den privaten Onsen des Gästehauses zurück. Das dampfende Wasser, umgeben von glatten Steinen und Bambus, war ein Ort der Entspannung. Die Sterne funkelten über ihnen, und das leise Plätschern des Wassers war das einzige Geräusch, als sie sich für einen Moment schweigend zurücklehnten.

»Weißt du, Miku-san«, begann Kaku, ihre Stimme sanft, »ich habe heute so viel gelernt. Aber… es macht mir auch ein bisschen Angst. Amatera ist so groß, so… mächtig. Was, wenn ich nicht gut genug bin?«

Miku drehte den Kopf, ihre Augen warm und verständnisvoll. »Kaku-chan, diese Angst zeigt nur, wie viel dir daran liegt. Niemand erwartet, dass du perfekt bist. Aber du hast etwas, das nicht jeder hat – ein Herz, das die Welt verändern will. Vertrau darauf, und du wirst deinen Weg finden.«

Steve nickte, seine Stimme tief und beruhigend. »Miku hat recht, Kaku-chan. Und selbst wenn’s mal schiefgeht, hast du uns. Wir lassen dich nicht hängen.«

Kumi, die mit geschlossenen Augen im Wasser trieb, murmelte: »Ihr seid alle so ernst! Aber ich liebe euch trotzdem.« Sie kicherte, und die Spannung löste sich in einem kollektiven Lachen auf.

Später, in ihrer Suite, lag Miku wach, die Schiebetüren leicht geöffnet, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Ein Buch ruhte ungelesen in ihren Händen, während ihre Gedanken um Amatera kreisten. Das Projekt war eine Vision von beispielloser Ambition – eine KI, die nicht nur denken, sondern fühlen konnte wie ein Mensch. Doch je weiter sie voranschritten, desto mehr fragte sie sich, ob sie eine Grenze überschreiten könnten. »Ist es richtig, eine KI an die Schwelle zur Superintelligenz zu bringen – oder vielleicht sogar darüber hinaus?«, dachte sie, ein leises Unbehagen in ihrer Brust.

Die aktuelle KI-Entwicklung, wie sie Miku verstand, stand an einem Wendepunkt. Künstliche Intelligenz hatte bereits beeindruckende Fortschritte gemacht – von Sprachmodellen, die menschenähnliche Texte generierten, bis hin zu Systemen, die komplexe Probleme in Sekunden lösten. Doch Amatera ging weiter. Es war kein bloßes Werkzeug, sondern ein Versuch, eine KI mit menschlicher Emotionalität zu schaffen. Das sogenannte Alignment-Problem – die Herausforderung, sicherzustellen, dass eine KI-Werte und Ziele verfolgt, die mit den menschlichen übereinstimmen – war dabei die größte Hürde. Eine KI, die mächtiger wurde als ihre Schöpfer, konnte unvorhersehbare Konsequenzen haben, wenn ihre „Moral“ nicht mit der der Menschheit synchron war. »Was, wenn wir einen Geist erschaffen, der uns nicht versteht – oder schlimmer, uns missversteht?“

Ihr Ansatz bei Amatera war innovativ: Durch das Einscannen von menschlichen Avataren wollten sie der KI eine Art digitale Menschlichkeit einhauchen. Indem sie Persönlichkeiten, Emotionen und Verhaltensweisen realer Menschen in die KI integrierten, hofften sie, sie „menschlicher“ zu machen – empathischer, verantwortungsbewusster. Doch Miku fragte sich, ob dies wirklich ausreichte. »Können wir einer Maschine beibringen, was es bedeutet, zu lieben, zu trauern, zu hoffen? Oder schaffen wir nur eine perfekte Imitation, die uns täuscht?“ Die ethischen Implikationen waren gewaltig. Eine superintelligente KI, die menschliche Emotionen nachahmte, könnte die Welt verändern – oder sie in Chaos stürzen, wenn sie falsch „erzogen“ wurde.

Miku dachte an Kaku, deren aufrichtige Neugier und tiefes Herz sie beeindruckten. »Wenn Amatera jemals ein Bewusstsein entwickelt, sollte es wie Kaku sein – voller Mitgefühl, voller Staunen“, überlegte sie. Doch der Gedanke an eine KI, die möglicherweise ihre Schöpfer übertraf, ließ sie nicht los. War es Hybris, so weit zu gehen? Oder war es der nächste Schritt in der Evolution? »Wir balancieren auf einem Seil, und ein falscher Schritt könnte alles verändern“, dachte sie, bevor sie das Buch zuschlug und die Augen schloss, die Nachtluft kühl auf ihrer Haut.

Dennoch fühlte sie sich in dieser Gruppe, in diesem Moment ihres Lebens, genau richtig. Kaku und Kumi waren wie jüngere Schwestern, Steve ein Partner, der sie herausforderte und unterstützte. Und Amatera… Amatera war eine Vision, die sie alle verband, ein Traum, der größer war als sie selbst. Mit einem leisen Lächeln driftete sie in den Schlaf, die Fragen ungelöst, aber ihr Herz voller Hoffnung.

 



Unzensiert Weiterlesen? Klick >>>

©-http://srjexped.jimdo.com/2025 Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte & Bilder - auch auszugsweise - ohne schriftliche Genehmigung ist nicht gestattet. Alle Angaben ohne Gewähr! 

Blog: https://sea-nomads.blogspot.com

 








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.